Wie kläre ich mein Kind auf?
Ab wann und wie?

Mit Kindern über Sex zu reden ist nicht einfach. Zum einen gibt es viele Unsicherheiten, worüber genau und wie Sie mit Ihrem Kind in der Sexualerziehung sprechen. Zum anderen ist das Themenfeld sehr gross: HIV-/STI-Prävention, Fragen zur Verhütung und Schwangerschaft, Umgang mit sexualisierten Medieninhalten oder sexualisierter Gewalt. Als Fachstelle für Aids- und Sexualfragen unterstützen wir Sie hierbei gerne.

Aufklärung zu sexueller Gesundheit

Sexualerziehung nach Altersstufen

Sexuelle Vielfalt

Sexualisierte Medieninhalte

Sexualerziehung für Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung

Sexualisierte Gewalt

Sexualität fällt uns nicht in den Schoss – wir erlernen sie

Als Erziehungsperson haben Sie sich das bestimmt auch schon gefragt: Was macht es so schwierig, mit den eigenen Kindern über Sexualität zu reden? Was braucht es alles, damit meine Sexualerziehung kinder- bzw. jugendgerecht ist? Ist die sexuelle Aufklärung zu Hause noch überhaupt notwendig, wenn die Kinder diese bereits im schulischen Aufklärungsunterricht erfahren?

Sexualität fällt uns nicht einfach so in den Schoss. Vielmehr ist sie ein kontinuierlicher Lernprozess, den wir schrittweise über Jahre hinweg entwickeln. Darum ist eine kinder- bzw. jugendgerechte Sexualerziehung auf verschiedenen psychosexuellen Entwicklungsstufen gefragt: zum einen in der Sexualerziehung zu Hause, zum anderen im Aufklärungsunterricht in der Schule.

Dabei geht es nicht um das sexuelle Verhalten aus Erwachsenensicht. Vielmehr stehen diese Aspekte im Vordergrund:

  • Geschlechterrollen
  • Erleben mit den Sinnen
  • Körpererleben
  • verlässliche Beziehungen
  • Identitätsfindung
  • Schamgefühl und Grenzen und somit auch Prävention

Sie als Eltern nehmen in der Sexualerziehung eine zentrale Rolle ein

Die emotionale Bindung zu Ihrem Kind ist eine bedeutende Voraussetzung, wenn Sie mit ihm über Körperentwicklung, Liebe und Sexualität reden sowie Wertvorstellungen vermitteln möchten (Bodmer 2013: Psychologie der Jugendsexualität).

Denn Sie als Eltern bzw. Erziehungspersonen …

  • … sind die primären Bezugspersonen und kennen Ihr Kind am besten.
  • … verfügen über die Eltern-Kind-Beziehungsebene als wertvolle Voraussetzung zur Sexualerziehung.
  • … können wichtige Grundsteine legen, weil Werte vor allem im Familienkontext geprägt werden.
  • … unterstützen als erste Sozialisationsinstanz die Schule, die einen ergänzenden Sozialisationsauftrag hat.

Sie sehen: Eltern und Erziehungspersonen nehmen eine zentrale Rolle in der Sexualerziehung der Kinder ein. Denn sie prägen ihre Kinder in der Kultur, in den Werten und vor allem in der Sprache. Dabei entwickeln die Kinder im Familienalltag einen natürlichen Umgang mit Grenzen, Körperbewusstsein, Sexualität und Gefühlen. Gleichzeitig hat die Schule als zweite Sozialisationsinstanz einen sexualpädagogischen Auftrag.

Eine enge Zusammenarbeit mit der Schule hilft Ihrem Kind

Neben dem Elternhaus ist die Schule ein sehr bedeutsamer Lernort für Ihr Kind. Darum ist es wichtig, in der Sexualerziehung auf eine enge Zusammenarbeit mit der Lehrperson zu setzen – besonders während der ersten Schuljahre. Die Erfahrung zeigt: Lehrpersonen können Eltern auch unterstützen, wenn Kinder von der Schule mit Aussagen und Fragen nach Hause kommen. Bei Bedarf lassen sich im Rahmen eines Elternabends oder in einem Einzelgespräch Fragen klären und Unsicherheiten beseitigen.

Eine solche Sorge bzw. Unsicherheit betrifft die verfrühte sexuelle Aktivität von Kindern und Jugendlichen, wenn diese in der Schule den Aufklärungsunterricht besuchen. Der Aufklärungsunterricht erfolgt auf verschiedenen Altersstufen. Doch die Besorgnis lässt sich entkräften: In den vergangenen 40 Jahren ist das Durchschnittsalter für den ersten Geschlechtsverkehr konstant bei ungefähr 17 Jahren geblieben (BZgA 2015: Jugendsexualität).

Vielmehr hilft eine frühzeitige Aufklärung Ihrem Kind: Sie unterstützt Ihr Kind von Anfang an in den wichtigen Entwicklungsschritten, sodass es im eigenen Tempo ein gesundes Selbstvertrauen, Körpergefühl und Selbstbewusstsein entwickelt. Dies wiederum ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und sich entsprechend auch zu schützen.

Elementar dabei ist es, die kindliche Sexualität nicht aus der Erwachsenenperspektive heraus zu betrachten. Sprechen Sie darum mit Ihrem Kind über Gefühle. Bestärken Sie es, wenn es ein Nein zum Ausdruck bringt. Akzeptieren Sie die Grenzen Ihres Kindes da, wo Sie es können.


Aufklärung von Kindern von der Geburt bis zum 6. Altersjahr

Ganzheitliche Sexualerziehung

Eine ganzheitliche Sexualerziehung stärkt Ihr Kind in seiner Persönlichkeitsbildung, unterstützt es in seiner psychosexuellen Entwicklung und fördert es, selbstbewusst, sprachfähig und selbstbestimmt zu werden. Sie als Erziehende können durch Ihre Haltung das Selbstbewusstsein Ihres Kindes stärken, damit es einen selbstbewussten Umgang mit seinem Körper lernt.

Kinder sind wissbegierig und haben ein Recht, auf ihre Fragen altersgemässe Antworten zu bekommen. Damit Ihr Kind auf Sie zukommt und Ihnen auch vertrauliche Fragen stellen kann, braucht es:

  • eine liebevolle und wertfreie Atmosphäre
  • einen vertrauensvollen Gesprächsrahmen, der die Experimentierfreude Ihres Kindes und seine Erlebnisse rund um den Körper bejaht

Dies stärkt das kindliche Selbstvertrauen und fördert ein positives Körpergefühl im Zusammenhang mit Lust und Erregung. Ausserdem unterstützt diese Vertrauensbasis auch die Entwicklung der eigenen Geschlechtsidentität sowie Beziehungs- und Bindungsfähigkeit.

Wenn ein Kind sich selbst, seinen Körper und seine Grenzen kennt und kommuniziert, ist es eher in der Lage, auch die Grenzen anderer zu respektieren. Deswegen ist die Aufklärung keine einmalige Sache, sondern ein mehrjähriger Lernprozess, der Kinder beim Grosswerden immer wieder alters- und entwicklungsgerecht begleitet.

Unterschiede zwischen kindlicher Sexualität und Erwachsenensexualität

Gelebt wird kindliche Sexualität im Vorschulalter häufig im Körpererleben, durch Wissensdrang sowie durch die sozialen und familiären Beziehungen. Erst im Jugend- und Erwachsenenalter werden weitere Aspekte von Sexualität bedeutsam. Jugendliche und Erwachsene führen Erregung und Lust ganz bewusst herbei und verknüpfen sexuelles Erleben damit. Kinder hingegen setzen die schönen Gefühle in Beziehung zu anderen Menschen.

Aus der Sicht des eigenen Erlebens fällt es Erwachsenen oft schwer, kindliche Ausdrucksformen von Sexualität zu begreifen und sie von Formen der Sexualität erwachsener Menschen klar zu unterscheiden. Die kindliche Ausdrucksform vom Erkunden des Körpers ist meistens absichtslos und verfolgt nicht ein Ziel. Sie entsteht aus dem Gefühl der Neugierde und der Grundlage des guten Gefühls und des Wohlbefindens.

Die nachfolgende Gegenüberstellung soll skizzenhaft verdeutlichen, inwieweit sich die kindliche Sexualität und die Sexualität von Erwachsenen unterscheiden:

Ausdrucksformen kindlicher Sexualität

  • spontan, neugierig, spielerisch
  • nicht auf zukünftige Handlungen gerichtet
  • egozentrisches Schaffen von Wohlgefühl, z. B. beim Kuscheln und Schmusen
  • Neugier und Erkundungsverhalten, «Doktorspiele»

Ausdrucksformen der Sexualität von Erwachsenen

  • zielgerichtet, hauptsächlich genital
  • Erotik durch Aufschieben der Erfüllung
  • häufig beziehungsorientiert
  • Wissen um mögliche Folgen von Sexualität

Nützliche Informationen sowie Beiträge aus der Forschung finden Sie in der Broschüre «Sexualaufklärung bei Kleinkindern» der Sexuellen Gesundheit Schweiz. Für die Aufklärung von Jugendlichen empfehlen wir Ihnen die Broschüre «Peer-Education bei Jugendlichen».

Psychosexuelle Entwicklung von Kindern im Vorschulalter bis 6 Jahre

Welches Verhalten in welchem Alter entspricht der kindlichen Entwicklung und gilt damit als «normal»? Diese zentrale Frage stellen sich Eltern sowie Erzieher*innen häufig. Die Entwicklungsphasen von Kindern werden je nach Fachbereich und Forschungsinteresse unter verschiedenen Aspekten beschrieben.

Kinder beschäftigen sich im Vorschulalter hauptsächlich mit dem eigenen Körper sowie mit der körperlichen Nähe zu anderen Menschen. Dabei gibt jedes Kind sein eigenes Tempo vor. Bei einem Drittel der Kleinkinder lassen sich sogenannte «Doktorspiele» untereinander beobachten: Dabei stehen das Zeigen und Betrachten des eigenen Körpers sowie seines Gegenübers im Fokus, aber auch das Erfahren der Sinne und der schönen Körpergefühle.

Beim Thema Doktorspiele gilt es, diese Aspekte zu beachten:

  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Art und Weise der Doktorspiele, wo und mit wem diese geschehen. Der Altersunterschied darf hierbei nicht zu gross sein.
  • Erklären Sie Ihrem Kind, was es bei den Doktorspielen machen darf und was nicht: Zum Beispiel sind die Grenzen des Gegenübers in jedem Fall zu respektieren, auch wenn die eigenen Bedürfnisse in dem Moment anders sind.
  • Reden Sie mit den Eltern des anderen Kindes über die Doktorspiele. Damit vermeiden Sie Konflikte mit den Eltern, schaffen Transparenz und bieten Ihrem und dem anderen Kind den grösstmöglichen Schutz vor Unfällen, körperlichen oder seelischen Schäden.

In dem Ganzen müssen die Kinder die Verantwortung sowie das Interesse der Eltern spüren können.

Sexualerziehung in Kindertageseinrichtungen

Erzieher*innen haben die Aufgabe, Kinder zu unterstützen, zu begleiten und zu fördern, auch im Bereich der Sexualerziehung. Da Kinder fragen, spielen und ausprobieren, findet Sexualerziehung auch in Kindertageseinrichtungen statt.

Sexualerziehung ist ein sensibles Thema, das auch Erzieher*innen herausfordern kann. Der Umgang mit der kindlichen Sexualität konfrontiert nicht nur Elternpersonen, sondern auch Erzieher*innen mit ihrer eigenen sexuellen Biografie. Sie werden auch persönlich angesprochen, wenn Kinder sie direkt fragen.

Informieren Sie sich, wie die Kindertageseinrichtung mit kindlicher Sexualität im Alltag umgeht. Pflegen Sie einen offenen Dialog mit Erzieher*innen zu den Inhalten der Sexualität. Wenn Erzieher*innen Sie als Bildungspartner*innen wahrnehmen, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, wertvolle Informationen über Ihr Kind zu erhalten.

Sexualerziehung als Schutz vor sexualisierten Übergriffen

Sexualaufklärung vermittelt Kindern, was sexuelle Übergriffe sind. Sie erreicht dies, indem sie …

  • … angemessene und nicht angemessene Verhaltensweisen unter Kindern beschreibt;
  • … eine klare Abgrenzung dieser Verhaltensweisen gegenüber Erwachsenen vornimmt;
  • … deutlich vermittelt, dass Erwachsene wissen, dass sie keine sexuellen Berührungen mit Kindern haben dürfen.

Sexualerziehung im Vorschulalter ist so eine Sozialisationshilfe. Sie unterstützt sicheres Zusammenleben, stärkt die Persönlichkeitsentwicklung und gibt Orientierung zu angemessenen Verhaltensweisen.

Eine klare Sprache über die Geschlechtsorgane hilft Kindern grundsätzlich im adäquaten Umgang mit ihren Geschlechtsorganen bzw. mit ihrem eigenen Körper. Dies ist z. B. auch später bei Arztbesuchen oder in weiteren Aufklärungssituationen von Vorteil.

Weitere Informationen finden Sie hier:

Broschüre «Liebevoll begleiten …»


Aufklärung von Mädchen und Knaben zwischen 6 und 12 Jahren

Kinder im Grundschulalter

Das Grundschulalter und die Vorpubertät sind die Zeit zwischen dem Kindergarten-Alter und der Geschlechtsreife. Das sexuelle Interesse wächst individuell bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter. Mädchen und Knaben merken auch, dass Erwachsene das Thema Sexualität unangenehm berühren kann und sie deshalb nicht mehr so offen ihre Fragen beantworten. Sollte man das als Erziehungsperson bei sich wahrnehmen, lohnt es sich, die eigene Einstellung mit jemandem zu reflektieren.

Kinder möchten in diesem Alter mit ihren Gefühlen, Gedanken und Fragen ernst genommen werden. Sie fragen auch indirekt oder provozieren mit sexuellen Ausdrücken. Damit zwingen sie Erwachsene, Stellung zu beziehen. Um mehr zu erfahren, wenden sich Kinder an Gleichaltrige. Situatives und beiläufiges Nachfragen, was Kinder zu aktuellen sexuellen Themen denken oder wissen, gibt Erziehenden Feedback über die Einstellung und den Wissensstand Ihres Kindes.

Im Zuge der moralischen Entwicklung des Kindes nimmt das Schamgefühl zu. Kinder schliessen die Türe, wenn sie im Badezimmer sind. Oder es ist ihnen unwohl, wenn die Eltern sich nackt zeigen. Erziehungspersonen sollten taktvoll darauf Rücksicht nehmen.

Interessenverlagerung bei vorpubertären Kindern

Im Alter zwischen elf und etwa dreizehn Jahren verlagert sich das Interesse bei vorpubertären Kindern zunehmend auf ein detailliertes Wissen über den Körper und die Sexualorgane.

Mädchen interessieren sich für die Menstruation und die Schwangerschaft sowie für das Verliebtsein und die negativen Folgen von Sexualität. Knaben wollen wissen, wie Geschlechtsverkehr funktioniert und ob ihre körperliche Entwicklung und ihre sexuellen Fantasien normal sind.

Meistens sind Kinder bzw. Jugendliche mit kurzen und knappen Antworten, die an ihrem Wissenstand anknüpfen, zufrieden. Es geht dabei auch um das zu vermittelnde Gefühl, dass Erwachsene einen ernst nehmen.

Die Erfahrung zeigt: Ab der Vorpubertät lassen sich sexualpädagogische Themen einfacher und entspannter in geschlechtshomogenen Gruppen besprechen. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen sich mit der bei der Geburt zugewiesenen Geschlechter-Gruppe identifizieren.

Übersicht über psychosexuelle Entwicklungsschritte

vom 6. bis 12. Lebensjahr

Identitätssicherung/ Geschlechtsrollenfindung (soziale Konzentration auf das eigene Geschlecht)

Aktivitäten mit Gleichaltrigen:

  • Abwertung bzw. Ablehnung des anderen Geschlechts
  • Geschlechtsrollentypische Verhaltensweisen (ggf. stark überzeichnet)
  • Provokatives bzw. aggressives Auftreten gegenüber dem anderen Geschlecht
  • Tabuverletzungen
  • Ggf. Interesse und erotische Anziehung durch das gleiche Geschlecht
Entwicklung eines Körperbewusstseins

Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen und den eigenen motorischen Fähigkeiten

Kognitiver Schub

Selbstideal des Klugseins:

  • Wissensbezogene sexuelle Neugier
  • Interesse an schriftlichen und bildlichen Informationen (Medien)
  • Fragen zur Zeugung/Empfängnis und zum Geschlechtsverkehr sowie zu anderen beziehungs- und sexualitätsbezogenen Fragen
  • Moralisches Bewusstsein
Veränderung im Erleben und Empfinden des eigenen Körpers
  • Produktion von Geschlechtshormonen und Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale
  • Körper wird wichtiger (Körperwissen)
  • Zurückhaltung im Körperkontakt und bzgl. Nacktheit (Schamgefühl)
Vermehrtes Interesse an nahen Beziehungen
  • Neugier und Informationsbedürfnis
  • Wissen über Geschlechtsverkehr und Empfängnis
  • Sich in Personen des anderen oder gleichen Geschlechts verlieben
Physische Veränderungen
  • Reifung der Geschlechtsorgane
  • Erreichung der Geschlechtsreife
  • Stimmungsschwankungen
  • Erste Menstruation (zwischen 10 und 15 Jahren, im Schnitt mit 12,5 Jahren)
  • Erste Ejakulation (zwischen 11 und 15 Jahren, im Schnitt mit 12, 13 Jahren)
  • Selbstbefriedigung bei Mädchen und Knaben

Aufklärung von Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren

12. bis 16. Lebensjahr: Pubertät

Kennzeichnend für die Pubertät ist das Auseinanderklaffen von körperlicher und psychischer Entwicklung. Der kindliche Körper wird auf die Fortpflanzungsfunktion der Sexualität vorbereitet. Die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen treten deutlicher hervor. Die auf die Sexualität bezogenen Wahrnehmungen und das Einbringen eigener sexueller Wünsche nehmen zu.

Teenager orientieren sich zeitweise an berühmten Persönlichkeiten aus dem Showbusiness, aus dem Sport oder aus der Mode. Sie ahmen diese nach, imitieren deren Art, sich zu kleiden oder zu sprechen. Dies kann zu Konflikten mit den Erziehungspersonen führen, da solche Imitationen im Gegensatz zum eigenen Geschmack stehen können.

Idole ergänzen erwünschte Aspekte im eigenen Charakter und sind für den persönlichen Reifeprozess von Jugendlichen wichtig. Manchmal haben sie auch die Funktion von Kontra-Modellen gegenüber dem Elternhaus. Wenn sich zum Beispiel eine vom Jugendlichen verehrte Musikgruppe trennt, wird diese Trennung als eigene Erfahrung erlebt. Wenn Erziehungspersonen am Idol Interesse zeigen oder gar einmal über eigene Idole von früher sprechen, kann das Verbundenheit schaffen.

In der Frühphase der Pubertät werden Peers des gleichen Geschlechts als Gesprächspartner*innen immer wichtiger, und es gibt die ersten Annäherungsversuche. Ab der Pubertät entwickeln Jugendliche ihre sexuelle Orientierung, sexuellen Präferenzen und moralischen Wertmassstäbe. Hauptinformationsquelle, um subjektive Wissenslücken im sexuellen Bereichen zu schliessen, ist für alle Geschlechter das Internet. Hier gibt es je nach Thema übersichtlich und informativ aufbereitete Plattformen.

Umfragen zeigen, dass mit etwa 17 Jahren gut die Hälfte der Jugendlichen Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr hat. Zur Verhütung nutzen sie mit Abstand vor allem das Kondom und die Pille. Die überwiegende Mehrheit erlebt den ersten Sexualverkehr im Rahmen fester Partnerschaften, auch wenn diese von kurzer Dauer sind. Bei Jugendlichen, die zum Beispiel emotional vernachlässigt wurden, kann der Geschlechtsverkehr deutlich früher auftreten.

Mit gelebter Sexualität nehmen Jugendliche Verantwortung für sich selber und für andere wahr. Erziehungspersonen können in dieser Phase Hinweise zu Verhütungsmittel geben, wo Jugendliche ärztliche Hilfe bekommen und Ansprechpartner in Krisen finden. Alles Weitere ist Aufgabe der Jugendlichen, die sie beim Erwachsenwerden selber in Angriff nehmen sollten. Diese Abgrenzung hilft Jugendlichen, ihren Weg eigenständig zu gehen.

Übersicht über psychosexuelle Entwicklungsschritte

vom 12. bis 16. Lebensjahr

Psychische Veränderungen (Festigung der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität)
  • Herausbildung einer erwachsenen Geschlechtsidentität
  • Vorläufige Klärung der sexuellen Orientierung
  • Sexuelles, auf andere Personen gerichtetes Interesse
  • Ambivalenz zwischen der Realisierung von Wünschen und den Ängsten vor Konsequenzen
Soziale Veränderungen (Autonomieentwicklung und Ablösung vom Elternhaus)
  • Körperscham in der Familie
  • Orientierung an Gleichaltrigen
  • Auflehnen gegen bzw. Ablehnen von Autoritäten
  • Grenzen suchen, Risiken eingehen
  • Experimentieren mit der Einzigartigkeit
  • Sich verlieben und trennen
  • Eingehen selbstbestimmter persönlicher Bindungen
  • Erste sexuelle Erfahrungen (auch gleichgeschlechtliche)
  • Zunehmendes Interesse an Detailwissen zu sexuellen Praktiken
  • Ggf. bewusste Nutzung von Pornografie

Sexuelle Vielfalt

Die Menschen sind vielfältig – in ihren Voraussetzungen und Erfahrungen, ihren Bedürfnissen und Gefühlen sowie in ihren Vorstellungen. Wie die Menschen kennen auch deren Geschlechter und sexuelle Orientierungen keinen Standard. Vielmehr entsprechen sie einem bunten Regenbogen: Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind nämlich breitgefächert. Und alle Formen sind gleichwertig.


Mein Kind ist lesbisch, bi oder schwul

In unserer heteronormativen Gesellschaft gehen viele Eltern davon aus, dass ihr Kind eines Tages einen Menschen des jeweils anderen Geschlechts lieben wird. Doch dies ist nicht immer so.

 

Ihr Kind liebt anders, als Sie es erwartet haben? Damit sind Sie nicht alleine.

Kein Mensch sucht sich die sexuelle Orientierung aus. Sie ist gegeben. So hat auch Ihr Kind nicht entschieden, in welches Geschlecht es sich verliebt. Wenn Ihr Kind feststellt, dass seine sexuelle Orientierung nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entspricht, steht es wahrscheinlich vor einer grossen Herausforderung. Ihr Kind braucht in dieser Zeit ganz besonders Ihre Unterstützung. Essentiell dabei ist, dass Sie Homo-, Bi- und Heterosexualität als gleichwertige Varianten der sexuellen Orientierung anerkennen.

Manchmal reagieren Eltern auf das Coming-out ihres Kindes schockiert oder enttäuscht, vielleicht sogar abweisend. Meistens brauchen sie einfach nur Zeit, um die Nachricht zu verarbeiten. Auch Eltern machen jetzt nämlich eine Art Coming-out durch. Sie machen sich Gedanken darüber, wie die Umgebung darauf reagieren wird. Manche Eltern brauchen zu diesem Zeitpunkt eine Beratung oder zumindest Informationen. Manchen Eltern hilft es, wenn sie sich mit anderen Eltern austauschen können.

 

Beratungsangebote für Eltern

Wenn Sie als Eltern oder Angehörige Rat und Hilfe brauchen, dürfen Sie gerne unsere Fachstelle telefonisch, per Chat oder E-Mail kontaktieren.

Beratung über E-Mail, Telefon oder Chat

Bürozeiten

Montag bis Mittwoch
9–12 Uhr
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Donnerstag geschlossen

Freitag 
9–12 Uhr (E-Mail/Telefon)

info@ahsga.ch071 223 68 08WhatsApp

Hinweis zur WhatsApp-Beratung
WhatsApp ist keine sichere Verbindung. Übermitteln Sie in der WhatsApp-Beratung deshalb keine Angaben zu Ihrer Person wie Namen, Alter, Adresse, Wohnort, Geburtsdatum etc., sondern nur Ihr Pronomen. Nach einer WhatsApp-Beratung löscht die jeweils beratende Fachperson den gesamten Chatverlauf. Falls Sie eine Beratung über eine sichere Verbindung wünschen, dürfen Sie uns während der Bürozeiten gerne unter 071 223 68 08 anrufen oder eine E-Mail senden.


Mein Kind ist trans

Von trans ist die Rede, wenn das innere Wissen einer Person, welches Geschlecht sie hat (Geschlechtsidentität), nicht mit dem bei der Geburt zugewiesen Geschlecht übereinstimmt. Begriffe, die ebenfalls dafür verwendet werden, sind z. B. Transgender oder Transidentität.

Nicht alle Kinder, die mit Geschlechterrollen experimentieren und andere Dinge mögen als ihre gleichaltrigen «Gspändli», sind trans. Kinder können ganz gut ausdrücken, wie sie sich fühlen und was für sie richtig ist – oder was nicht. Die Aufgabe der Erwachsenen ist es, hinzuhören und ihre Kinder ernst zu nehmen.

 

Informationen und Beratung zum Thema Trans

Viele Eltern und Angehörige sind dankbar, Informationen und Beratung rund um das komplexe und emotionale Thema der Geschlechtsidentität zu erhalten. Die Fachstellen im Checkpoint Zürich, Checkpoint Bern und im Checkpoint Vaud sind die persönlichen Anlaufstellen für alle Fragen und Informationen zum Thema Trans.

Spezialisiert auf Fragen von Familien sind die Menschen bei TGNS (Transgender Network Switzerland): Weitere Informationen dazu finden Sie auf der TGNS-Beratungsseite.

 

Film und Literatur
  • Ein Kinderbuch zum Thema Transidentität: «Es war einmal ein wunderschöner Prinz, der war so glücklich, dass er nach den Sternen greifen wollte. Er hatte nur ein Problem: Alle dachten, er sei eine Prinzessin.» (Usling, Rabea Jasmin, Weiss, Linette: Prinz_essin? 2017: chiliverlag.)
  • Filmtipp zum Thema Transidentität: Robin Harsch begleitet Söan, Logan und Effie Alexandra – 3 trans Teenager – auf einem Wegstück ihrer Transition. Es entstand ein sehr berührendes Porträt von den jungen Leuten und ihrem Umfeld, auf der Suche nach der eigenen Identität. (Sous La Peau. 2020: Alva Film Production.)

Sexualisierte Medieninhalte

Mit dem Internet kommen Kinder und Jugendliche oft mit Inhalten in Kontakt, die nicht für sie bestimmt sind: sexualisierte Medieninhalte. Für Erwachsene ist es wichtig, den Kindern und Jugendlichen den richtigen Umgang mit den digitalen Medien zu zeigen. Aber auch, hinzusehen und hinzuhören, wenn Kinder und Jugendliche im Internet – gewollt oder ungewollt – mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

In den folgenden Abschnitten finden Sie Infoblätter und Ratschläge, wie Sie das Thema sexualisierte Medieninhalte mit Ihren Kindern ansprechen und Gefahren vorbeugen können.


Pornografie

Pornografie ist die direkte Darstellung menschlicher Sexualität mit dem Ziel, die betrachtende Person sexuell zu erregen. Dabei betont die Pornografie häufig die Geschlechtsorgane bewusst und klammert partnerschaftliche und emotionale Aspekte aus.

Unter dem Begriff legale Pornografie fallen sexuelle Darstellungen, die nicht als Kunst oder Erotika bezeichnet werden. Das Gesetz verbietet es, legale Pornografie Kindern bzw. Jugendlichen unter 16 Jahren zugänglich zu machen (Art. 197 StGB). Unter illegaler Pornografie wird die Darstellung sexueller Handlungen mit Minderjährigen oder mit Tieren oder Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen verstanden.

Gemäss der JAMES-Studie 2018 haben 20 % der 12- bis 13-jährigen und 40 % der 14- bis 15-jährigen Schweizer Jugendlichen pornografische Darstellungen auf dem Handy oder Computer angeschaut. Mit zunehmendem Alter der Jugendlichen nimmt der Konsum von pornografischen Darstellungen deutlich zu.

Die Neugier auf die Sexualität gehört zum Erwachsenwerden dazu

Für Kinder und Jugendliche bietet das Internet neben wertvollen und positiven Informationen auch faszinierende bis schockierende Inhalte. Dabei stossen sie gewollt oder ungewollt auf sexualisierte Darstellungen. Diese können negative Gefühle auslösen und zeigen ein unwirkliches Bild von Sexualität und Beziehung. Sexualisierte Medieninhalte vermitteln unrealistische Vorstellungen in Bezug auf sexuelle Anbahnung, Geschlechterrollen, sexuelle Praktiken und Körperideale. Diese können verunsichern und Leistungsdruck auslösen. Ein häufiger, regelmässiger Konsum von Internetpornografie kann abhängig machen.

Das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Kinder und Jugendliche können auch im Internet mit dem Gesetz in Konflikt kommen und durch unbedachtes Handeln ungewollt straffällig werden.

Weitere Informationen finden Sie hier:

Illegale Pornografie, Pornosucht, Sexting, Beratungsstellen

Gewaltvideos und illegale Pornografie auf Smartphones

Sexualaufklärung – Bildung und Information zu Beziehung und Sexualität


Sexting

Sexting steht für erotische Selbstdarstellungen durch Bilder, Videoclips mit Nachrichten, die über Plattformen verschickt werden. Dabei orientieren sich Jugendliche oft an Stars, die sich in sozialen Netzwerken inszenieren. Das Austesten der Wirkung auf sich und andere ist Bestandteil der entwicklungsbedingten Identitätsfindung.

Der Austausch intimer Darstellungen kann freiwillig oder unter Druck erfolgen – zum Beispiel durch Erpressung oder als Liebesbeweis. Betroffene Personen können durch Sexting Blossstellung und Beschämung erfahren. Zudem lassen sich Aufnahmen im Netz nicht mehr rückgängig machen. Gemäss der JAMES-Studie (2018) geben 5 % der 14- bis 15-Jährigen und 23 % der 18- bis 19-Jährigen an, dass sie schon mal aufreizende Bilder von sich verschickt hätten.

Entstehen Bilder oder Clips unter Druck, handelt es sich um eine Form von Nötigung. Dies ist ein Straftatbestand und kann angezeigt werden. Werden Fotos, Texte oder Webcam-Mitschnitte ohne Wissen kopiert und veröffentlicht, ist dies rechtswidrig und möglicherweise strafbar. Schon die Drohung, Bilder zu veröffentlichen, ist rechtswidrig.

Die Herstellung einer visuellen oder auditiven Aufnahme mit sexuellem Kontext ist unter anderem dann strafbar, wenn die Dargestellten unter 18 Jahre alt sind. Das einvernehmliche Fotografieren und Filmen von sexuellen Handlungen unter Minderjährigen von mehr als 16 Jahren bleibt straffrei. Aber nur, solange diese Aufnahme voneinander ausschliesslich im Besitz der beteiligten Personen ist und nur von ihnen konsumiert wird. Erhält jedoch eine nicht in die sexuellen Handlungen involvierte Person davon Kenntnis, werden die an den sexuellen Handlungen beteiligten Jugendlichen strafbar (Schweizerische Kriminalprävention 2018).

Weitere Informationen finden Sie hier:

Ratgeber zu Sexting von Pro Juventute


Sextortion

Sextortion (Wortkombination aus Sex und Extortion) bezeichnet eine Erpressung im Internet: Bei einer solchen fordern vermeintlich attraktive und interessierte Unbekannte Internetnutzer*innen dazu auf, in Videochats wie Skype nackt zu posieren oder sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen.

Die Betrüger*innen zeichnen das Material heimlich auf und versuchen dann, vom Opfer Geld zu erpressen, indem sie mit der Veröffentlichung der Aufnahmen drohen. In einer anderen Variante von Sextortion, die aus Sexting erwächst, werden in Vertrautheit aufgenommene private Sex-Clips dazu verwendet, das Opfer zu weiteren sexuellen Handlungen zu zwingen (Schweizerische Kriminalprävention 2019).


Begleiten und Befähigen von Menschen mit einer Beeinträchtigung in ihrer Sexualität

Im Umgang mit der Sexualität von Menschen mit einer geistigen bzw. körperlichen Behinderung gibt es immer noch viele Unsicherheiten. Fachleute sind sich allerdings einig: Menschen mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung haben keine «besondere» Sexualität. Die meisten von ihnen wünschen sich genau das Gleiche wie ihre nicht behinderten Altersgenoss*innen: Flirt, Freundschaft, Liebe, Partnerschaft, Zärtlichkeit, Geborgenheit, Leidenschaft. Sie haben die gleichen Grundbedürfnisse wie andere Menschen.

Bei Menschen mit körperlichen Behinderungen ​kann die praktische Umsetzung von Sexualität nicht immer den Vorstellungen und Bedürfnissen entsprechen. Deshalb sind hier Feingefühl und Kreativität gefordert.

Es braucht eine Sensibilisierung im ​Begleiten der psychosexuellen Entwicklung von Menschen mit einer Beeinträchtigung – und zwar aus diesen Gründen:

  • Der Zugang zu fachlichen Informationen über Sexuelles ist für Menschen mit einer Beeinträchtigung erschwert. Es fehlt vermehrt an Informationen in leichter und oder in Bildersprache.
  • Oft haben sie auch weniger Gelegenheiten, sich mit Gleichaltrigen/ Peers auszutauschen (kleine Geheimnisse, Erlebnisse, Gefühle etc.) und ihre ersten Erfahrungen zu machen.
  • Es fehlt ihnen oft die Fähigkeit, die Veränderungen ihres Körpers ​mitzuerleben oder zu verstehen. Dadurch sind die Erfahrungen, mit dem eigenen Körper umzugehen, begrenzt.
  • Menschen mit einer körperlichen Behinderung sind meistens auf die Hilfe von Dritten angewiesen, wenn es um Körperhygiene etc. geht. Das hat zur Folge, dass sie weniger die Gelegenheit haben, ihren eigenen Körper zu erkunden und Selbstbefriedigung auszuprobieren.
  • Die Vulnerabilität, ​aufgrund der Beeinträchtigungen Grenzverletzungen zu erfahren, ist höher. Deshalb ​sind Sexualpädagogik und das Befähigen, sich Hilfe zu holen und Strategien zum Schutz zu kennen, ein Teil der primären Prävention.

«Klipp und klar» ist eine hilfreiche Broschüre, die Informationen zu sexueller Gesundheit in leichter Sprache bietet. Sie eignet sich für Menschen ab 16 Jahren.

PDF-Download von «Klipp und klar»

Beratung über E-Mail, Telefon oder Chat

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Sexualisierte Gewalt

Von sexualisierter Gewalt wird gesprochen, wenn eine Person versucht, eine andere Person mit Zwang, psychischem Druck oder körperlicher Gewalt zu einer sexuellen Handlung zu zwingen. Sexualisierte Gewalt kann mit oder ohne Körperkontakt auch in Liebesbeziehungen erfolgen.


Formen sexualisierter Gewalt

Formen sexualisierter Gewalt sind:

  • Ungewolltes Berühren, Küssen oder Auf-den-Schoss-Nehmen
  • Sexuelles Belästigen und Bedrängen
  • Drohungen für den Fall, dass sich eine Person nicht auf sexuelle Handlungen einlässt
  • Drängen oder Erzwingen von sexuellen Handlungen, erzwungener Oral-, Anal- oder Vaginalverkehr
  • Sexuelle Handlungen an wehrlosen Personen (Alkohol-, Drogeneinfluss, K.o.-Tropfen)
  • Drängen oder Zwingen zum Anschauen von pornografischen Darstellungen oder Mitwirken in pornografischen Handlungen in Fotografie, Film oder Internetchat
  • Verschicken oder Verbreiten von Nacktbildern ohne Einwilligung
  • Beschimpfungen mit sexuellem Inhalt
  • Verheiratung Minderjähriger

Alle diese Formen sind strafbar. Je nach Art und Schwere werden sie mit Geldbussen oder Freiheitsstrafen bestraft.

Sexualisierte Gewalt verletzt Kinder und Jugendliche in ihrer sexuellen, körperlichen und seelischen Integrität. Die Persönlichkeitsentwicklung kann dadurch bis ins Erwachsenenalter tiefgreifend beeinträchtigt werden. Sexualisierte Gewalt betrifft Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem Geschlecht und Alter. Mädchen und weibliche Jugendliche sind häufiger betroffen, ebenso Kinder und Jugendliche mit einer kognitiven oder körperlichen Beeinträchtigung. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 1 bis 2 Schüler*innen pro Schulklasse im Schulalter von sexualisierter Gewalt durch Erwachsene betroffen sind.

Sexualisierte Gewalt findet am häufigsten innerhalb der engsten Familie sowie im weiteren Familien- und Bekanntenkreis statt. Das können Nachbar*innen oder Personen aus Einrichtungen oder Vereinen sein, die die Kinder und Jugendlichen gut kennen. Ab der Pubertät gehen die Übergriffe vor allem von Gleichaltrigen aus. Zunehmend finden sexuelle Übergriffe auch im digitalen Raum statt.

Sexualisierte Gewalt üben in etwa 85 % der Fälle Männer und männliche Jugendliche aus und zu etwa 15 % Frauen und weibliche Jugendliche. Täter als auch Täterinnen missbrauchen sowohl Mädchen als auch Jungen. Über missbrauchende Frauen wurde bislang wenig geforscht. Es ist davon auszugehen, dass sexualisierte Gewalt durch Frauen seltener entdeckt wird. Frauen üben sexualisierte Gewalt alleine oder zusammen mit einem männlichen Partner aus.

Tatpersonen können drohen, erpressen und zur Geheimhaltung verpflichten. Scham und Schuldgefühle machen Betroffene oft sprachlos und handlungsunfähig. Viele Kinder und Jugendliche trauen sich lange nicht, von ihren Erfahrungen zu erzählen. Verantwortlich für die Einhaltung von Grenzen sind allein die Tatpersonen, niemals die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Ein wesentliches Motiv der Tatpersonen ist der Wunsch, Macht auszuüben und durch die Tat das Gefühl von Überlegenheit zu erleben. Bei einigen Tatpersonen kommt eine sexuelle Fixierung auf Kinder hinzu (Pädosexualität). Kinder und Jugendliche können die Konsequenzen einer Einwilligung in eine sexuelle Handlung mit einer erwachsenen Person nicht abschätzen.

Weitere Informationen finden Sie hier:

Ratgeber zu sexuellen Übergriffen


Kinder und Jugendliche als Täter*in

Auch Kinder und Jugendliche üben gegen andere Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt aus. Sind bei Vorschulkindern die Täter*innen grösstenteils männliche Erwachsene, nimmt gemäss Kinderschutz Schweiz (2019) im Verlauf des Primarschulalters der Anteil der gleichaltrigen Täter*innen kontinuierlich zu. Häufig werden die Übergriffe durch Gleichaltrige im Rahmen erster Liebesbeziehungen verübt.

Gemäss einer Studie des Kantons Zürich (Ribeaud 2015), berichten 19 % der 15- jährigen Mädchen und 7 % der gleichaltrigen Jungen über erlebte sexualisierte Gewalt in der Paarbeziehung. 6 % der Jungen und 1 % der Mädchen berichten, selber sexualisierte Gewalt angewendet zu haben. Als häufigste Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen werden Versuche genannt, Kontakte der Partner*innen einzuschränken und zu kontrollieren.


Übergriffe durch Erwachsene

Personen mit einer Präferenzbesonderheit «Pädophilie» fühlen sich überwiegend oder ausschliesslich sexuell zu Kindern (meist 13 Jahre oder jünger) hingezogen. Ein bis fünf Prozent aller Männer haben gemäss Studien auf Kinder gerichtete sexuelle Phantasien. Über Frauen mit dieser sexuellen Präferenz ist fast nichts bekannt. Wissenschaftlichen Studien zufolge begehen weniger als die Hälfte aller Betroffenen sexuelle Delikte (sexueller Kindesmissbrauch, Konsum von Missbrauchsabbildungen). Über die Hälfte aller Täter sexuellen Kindsmissbrauchs sind nicht pädophil. Viele Betroffene sind sehr offen für Psychotherapie, um zukünftig weiterhin keine Delikte zu begehen oder straffrei zu werden.

Die WHO listet Pädophilie als psychische Störung auf. Die Behandlung geht mit einer langfristigen Psychotherapie und gegebenenfalls Medikamenten einher. Für Personen mit pädosexuellen Neigungen gibt es spezifische Beratungs- und Therapieangebote (z. B. das Forensische Institut Ostschweiz forio).


Zwangsheirat

Die freie Wahl des Ehepartners oder der Ehepartnerin ist ein Menschenrecht. Das Ehefähigkeitsalter beträgt in der Schweiz 18 Jahre (Art. 94 ZGB). Von einer Zwangsheirat oder erzwungenen eingetragenen Partnerschaft wird gesprochen, wenn die Verheiratung gegen den Willen mindestens einer der beiden Beteiligten geschieht. In der Schweiz wird von jährlich bis zu 340 Fällen von Zwangsheirat ausgegangen (Bundesamt für Migration 2012). Die Dunkelziffer ist hoch. Auch Jugendliche können davon betroffen sein. Rechtsgültig geschlossene Ehen von Minderjährigen werden nicht toleriert. Eine im Ausland geschlossene Ehe von 16- und 17-Jährigen kann in der Schweiz unter Vorbehalt anerkannt werden (Fachstelle Zwangsheirat).


Genitalverstümmelung bei Mädchen

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) bezeichnet die teilweise oder vollständige Entfernung der äusseren weiblichen Geschlechtsorgane. Folgende vier Typen von FGM werden unterschieden:

  • Typ I (Inzision): Teilweise oder komplette Entfernung der äusseren Klitoris
  • Typ 2 (Exzision): Teilweise oder vollständige Entfernung der äusseren Klitoris und der kleinen Scheidenlippen
  • Typ 3 (Infibulation oder «pharaonische Beschneidung»): Die vaginale Öffnung wird durch das Beschneiden und Zusammennähen der äusseren oder inneren Scheidenlippen verengt. Eventuell Entfernung der äusseren Klitoris.
  • Typ 4: Alle anderen Praktiken, die die weiblichen Genitalien verletzen. Wie zum Beispiel das Einstechen oder Durchbohren der inneren und äusseren Genitale.

Die verschiedenen Formen werden durch die Region und die Gemeinschaft, in welcher Frauen und Mädchen leben, bestimmt (Bisang 2019).

FGM wird an Mädchen und Frauen ab dem Säuglingsalter oft unter unhygienischen Verhältnissen durchgeführt. Sie kann schwere gesundheitliche, körperliche oder psychische Schäden verursachen und zum Tod führen. Das Netzwerk Mädchenbeschneidung Schweiz (2017) schätzt die Anzahl der in der Schweiz von FGM betroffenen oder gefährdeten Mädchen und Frauen auf 15’000. FGM gilt als Eingriff in die körperliche Integrität des Kindes und ist als Körperverletzung strafbar (Art. 124 StGB), auch wenn sie im Ausland vorgenommen wurde. Der Staat muss Massnahmen ergreifen, um Kinder vor Gewalt zu schützen und überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen (Art. 24, Ab. 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes).

Bestraft werden nicht nur Beschneider*innen, sondern auch Eltern oder Verwandte, die ein Mädchen beschneiden lassen. Bestraft wird auch, wer die Beschneidung im Ausland durchgeführt oder ermöglicht hat. Wer gegen das Verbot verstösst, wird mit Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. Das gilt für alle Formen der Beschneidung. Die Eltern sind für den Schutz ihrer Mädchen verantwortlich. Falls sie diese Verantwortung nicht wahrnehmen, sollte die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) mittels Gefährdungsmeldung eingeschaltet werden. Der Umgang mit tatsächlicher oder vermuteter Gefährdung hinsichtlich FGM verlangt hohe Sensibilität, da eine Gefährdungsmeldung das gesamte Familiensystem betrifft. Nationale Anlaufstellen zur Prävention von Mädchenbeschneidung (Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz) bieten Fachberatungen an.

FGM wird heute vor allem als kulturelles Phänomen betrachtet. Dabei wird vergessen, dass bis ins 20. Jahrhundert auch in Europa und in den USA weibliche Genitalverstümmelung als chirurgische Behandlung durchgeführt wurde. So wurden zum Beispiel zur Therapie von Masturbation die Entfernung von Klitoris oder Scheidenlippen empfohlen. In der heutigen Zeit wurde im Zuge zunehmender Selbstoptimierung die chirurgische Kürzung der Scheidenlippen oder die Verengung der Scheide zum Trend in der Schönheitschirurgie.


Knabenbeschneidung

Bei der männlichen Beschneidung (Zirkumzision) wird die Vorhaut im Bereich der Eichel ganz oder teilweise chirurgisch entfernt. Der Eingriff ist irreversibel. Die Entfernung der Vorhaut mit den darin befindlichen Nervenendungen und die folgende Verhornung der Eicheloberfläche führt zu einem Sensibilitätsverlust.

Die männliche Beschneidung wird meist an Säuglingen oder Kindern ohne deren Einverständnis durchgeführt und verletzt damit das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Für diese Eingriffe werden religiöse, kulturelle, medizinische und präventive Gründe aufgeführt. Für jüdische und muslimische Gemeinschaften gilt die Beschneidung als Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft. In anderen Ländern (zum Beispiel USA) werden oft hygienische Gründe angegeben.

Auch die Beschneidung von Jungen gilt als Eingriff in die körperliche Integrität (Art. 11 Bundesverfassung). Staat und Eltern sind verpflichtet, die Meinung des Kindes (im Sinne der Urteilsfähigkeit) gemäss dem Alter und der Reife entsprechend zu berücksichtigen (Art. 12 Übereinkommen über die Rechte des Kindes). Wird die Beschneidung nicht aus einer medizinischen Notwendigkeit heraus durchgeführt, wird sie zunehmend von ärztlicher, menschenrechtlicher und psychologischer Seite kontrovers diskutiert.

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